Öffentliche Meinung zum Ukraine Krieg – Widersinniges ist normal
Als Richard David Precht, ein Deutscher Germanist und Salonphilosoph mit recht hohem Bekanntheitsgrad in Deutschland, den Kardinalfehler seines Lebens begeht, da ahnt er wahrscheinlich noch nicht einmal, wie sich das Fettnäpfchen gestaltete, in das er trat. Was war geschehen? In mehreren Fällen, davon mindestens in einer Publikation des „Stern“, sowie mindestens einer Talkshow des öffentlich rechtlichen Rundfunks, hatte Precht es gewagt, eine Kapitulation der Ukraine in Erwägung zu ziehen. Dies natürlich vor dem Hintergrund, dass dadurch Menschenleben gerettet würde und mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass zwei Jahre lang Menschenleben als das absolut höchste Gut proklamiert wurde, hinter dem alle anderen politischen und/oder gesellschaftlichen Entscheidungen und Forderungen zurückzustehen hatten. Selbst die Freiheit, ja sogar unsere Grundrechte, lösten sich im scheinbaren Kampf um unser Leben auf.
Precht, der auf der Klaviatur des Lebens als höchstem Gut, dem sich alles andere, inklusive der Menschrechte unterzuordnen habe und dessen Schutz die Politik und die Gesellschaft in die Lage versetzt, sich über alle anderen Güter hinwegzusetzen, und seien sie noch so essentiell, muss es also folglich erwischt haben wie ein Paukenschlag, als unmittelbar nach seinen Äußerungen ein Shitstorm loslegte, den er als Medienliebling in dieser Form sicherlich noch nie erlebt hatte und den er sicherlich auch bis heute nicht verstanden hat. Auch Pro. Dr. Christian Rieck wundert sich in einem seiner Videos bei Youtube über dieses krasse 180 Grad Umschwenken der öffentlichen Meinung.
Grund genug, einmal zu ergründen, was da los ist. Dazu müssen wir jedoch zunächst analysieren, was die sogenannte „öffentliche Meinung“ überhaupt ist.
Eher Religion als individuelle Schlussfolgerung
Das, was wir gemeinhin als öffentliche Meinung bezeichnen, wurzelt leider nicht in individuellen Schlussfolgerungen, die aus Indizien oder gar Fakten gezogen werden. Es ist also leider nicht so, dass die einzelnen Individuen der Öffentlichkeit aktiv eine Meinung bilden. Vielmehr hat die öffentliche Meinung, also das, was die Mehrheit der Bevölkerung als vermeintlich „ihre Meinung“ und somit richtige Meinung ansieht, frappierende Ähnlichkeiten mit Religionen. Religionen fußen immer auf Glauben. Reflexion der Glaubensgrundsätze sind dabei nicht erwünscht und vielfach auch gar nicht möglich, da sich religiöse Inhalte oftmals historisch nicht nachvollziehen lassen. Die Anhänger einer Religion stehen also immer vor der Wahl, die Inhalte (ungeprüft) als richtig anzuerkennen oder aus der Religionsgemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Bei der öffentlichen Meinung kommen die gleichen Mechanismen zum Einsatz.
Wie bei Religionen üblich, gibt es einen oder mehrere „Vorbeter“. Die mögen sich über die mangelhafte Richtigkeit, der von ihnen verbreiteten Inhalte durchaus im Klaren sein, haben aber starke Interessen daran, dass die Inhalte von der Gemeinschaft übernommen werden. Es gibt außerdem eine Vielzahl von Menschen, die sich wegducken und die Inhalte bewusst nicht überprüfen, weil sie die Sorgen haben, sie könnten auf Ungereimtheiten stoßen und es gibt die wahrhaft Dummen, die diese Inhalte für bare Münze nehmen. In aller Regel sind diejenigen, die hinterfragen und selber schlussfolgern, welche dann zu ganz anderen, oftmals diametral entgegenstehenden Ergebnissen gelangen, deutlich in der Minderheit. Und diese Minderheit wird dann medial aus der Gesellschaft ausgestoßen und gebrandmarkt. Auf diese Weise erhalten sich die Führer einer Religion oder hier der öffentlichen Meinung, ihre Vormachtstellung. Das wirklich Geniale an diesem System ist seine Flexibilität. Während man einen denkenden, schlussfolgernden, also mit Ratio arbeitenden Menschen mühsam davon überzeugen müsste, sich einer bestimmten Betrachtung oder einem Feindbild anzuschließen, was häufig niemals gelingen wird, weil man dazu keine Fakten vorlegen könnte, ändert man bei einem religionsähnlichen Konstrukt einfach die Glaubensinhalte. Der gesellschaftliche Druck sorgt dann von ganz alleine dafür, dass diese neuen Glaubensinhalte untereinander nicht nur ausgetauscht, sondern auch übernommen wird. Wie dieser gesellschaftliche Druck durch einen unserer (unseligsten) Urinstinkte zustande kommt, habe ich in diesem Artikel eingehend erläutert.
Auf diese Weise ist es nicht nur möglich, die Zielrichtung der öffentlichen Meinungen binnen kürzester Zeit um 180 Grad zu ändern, es ist sogar möglich, völlig konträre Zielrichtungen zur gleichen Zeit vorzugeben, ohne, dass es den einzelnen Individuen auffallen würde. So ist beispielsweise einerseits das oberste Ziel, Russlands Existenz zu vernichten, koste es, was es wolle (auch zahllose Menschenleben), andererseits ist es aber auch noch immer oberstes Ziel, so viele Menschenleben vor dem vermeintlichen Killervirus zu schützen…ebenfalls koste es, was es wolle.
Sobald Richard David Precht das verstanden hat, sobald er den Spagat beherrscht, im Falle eines vermeintlichen Killervirus das Leben als höchstes Gut zu proklamieren, es aber gleichzeitig bei der Existenzvernichtung Russlands zu opfern, wird er wieder der Liebling der Medien sein.