Freigeld, Regionalgeld und Kryptowährungen

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Vor einigen Tagen erschienen hier zwei Artikel, die sich mit dem Thema des sogenannten „Freigelds“ nach Silvio Gesell beschäftigten.

Artikel 1
Artikel 2

Es wird dringend geraten, diese beiden Artikel zuerst zu lesen, um die Thematik, um die es hier geht, verstehen zu können. Ich werde in diesem Artikel nicht mehr explizit auf die Unterschiede bzw. Sinn und Zweck einer umlaufgesicherten Währung eingehen.

Vielmehr werde ich mich im Rahmen dieses Artikels mit der Möglichkeit der technischen Umsetzung und möglichen Einsatzgebieten auseinandersetzen.

Wie bereits im zweiten Artikel erwähnt, krankte Gesells Gedankenexperiment, welches u.a. 1932 in der österreichischen Gemeinde Wörgl umgesetzt worden war, an den Möglichkeiten technischer Umsetzung. Das Computerzeitalter war noch nicht angebrochen und so musste das Geld, welches seinerzeit von der Gemeinde ausgegeben worden war, aufwändig mit Klebemarken bestückt werden.

Eine fließende Demurrage war daher nicht möglich, was zu einer eklatanten Ungerechtigkeit geführt hätte, hätte dieses Modell sich durchgesetzt.

Ja, es hatte gehalten, was es versprach und was auf jedem Geldschein abgedruckt war: Es hatte die Gemeinde Wörgl (kurzzeitig) aus höchster Not gerettet. Doch vergisst man dabei, dass es in Wörgl zu jener Zeit praktisch nur arbeitsfähige Menschen gab.

Wer wirklich verstehen will, was damals in Wörgl geschah und wie groß die Leistung seines seinerzeitigen Bürgermeisters, Michael Unterguggenberger, war, dem sei der 2018 entstandene, österreichische Film „Das Wunder von Wörgl“ wärmsten empfohlen. Er gibt die Geschehnisse jener Zeit zwar nicht ganz, aber doch weitgehend richtig wider.

Heute würde sich Michael Unterguggenberger jedoch nicht mehr hinsetzen und fälschungssichere, bunte Geldscheine entwerfen, um sie dann drucken zu lassen. Heute würde er auf eine Technologie zurückgreifen, die viel mehr Möglichkeiten bietet, eine schnellere Zahlungsabwicklung ermöglicht und bei der man die Demurrage fließend, also auf die individuellen Bedürfnisse angepasst einstellen könnte: das Internet. Oder besser gesagt, die Blockchain-Technologie.

Streng genommen ist Kryptowährung wie beispielsweise der Bitcoin nichts anderes als eine Parallelwährung, welche nicht durch Notenbanken kontrolliert wird. Was ihr von Hause aus jedoch fehlt, ist eine Umlaufsicherung. Die jedoch lässt sich ganz einfach integrieren, da jede Kryptowährung auf dem Programmcode basiert, in dem sie geschrieben wurde.

Kryptowährung löst auch gleich zwei weitere Problem, die man normalerweise hätte, wenn man eine digitale Währung etablieren würde. Sie kommt bereits mit einem fix und fertigen Walletsystem, mit dessen Hilfe das Geld aufbewahrt wird bzw. seinen Besitzer wechselt und dank Kryptobörsen ist ein Umtausch in eine Fiatwährung (Euro, Dollar etc.) jederzeit möglich.

Für Unterguggenberger wäre unsere heutige Blockchain-Technologie eine Offenbarung gewesen und anstatt Geldscheine zu entwerfen, hätte er wohl einen Krypto-Token programmiert.

Guggenbergers Modell des Freigelds gibt es übrigens durchaus noch immer. Auch wenn der Mann damals wegen illegalem Gelddruckens vor Gericht gestellt und seine Geldscheine verboten wurden, so hat ihn die Idee überholt. Überall auf der Welt (auch in Deutschland) gibt es sogenannte Regionalwährungen. Die bekannteste dürfte der „Chiemgauer“ sein. All diese Regios verfolgen, neben der Umlaufsicherung, ein weiteres Ziel: Sie wollen das Geld in ihrer Region halten und die wirtschaftliche Infrastruktur ihrer Region damit stärken.

In den vergangenen Jahrzehnten war eine starke Zentralisierung der Wirtschaft zu beobachten. Diese bezieht sich nicht nur auf einzelne Regionen, sondern auch darauf, dass kleine Unternehmen nach und nach verschinden um durch große Ketten ersetzt zu werden.

Bei Bäckereien kann man diese Entwicklung exemplarisch gut beobachten. Während es in den 80er Jahren noch in jedem Viertel eine eigene (und eigenständige) Bäckerei gab, haben zwischenzeitlich kleine Meisterbetriebe fast gänzlich aufgegeben und großen Ketten, wie Kamps, Oehme oder Backwerk Platz gemacht, die Massenware in großen Backfabriken produzieren lassen.

Ursache dafür war die schleichend schwindende Kaufkraft und der damit einhergehende Bedarf an günstigen Lebensmitteln, was eine unmittelbare Folge des Zinssystems ist.

Kapitalisten und Libertäre sprechen in diesem Zusammenhang gerne von einer notwendigen Marktbereinigung nach dem Motto: Der Beste und Fähigste setzt sich durch. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine Marktanpassung, die nur so lange gut geht, bis sich der Markt nicht weiter anpassen kann, bis die Lebensmittelpreise nicht weiter gesenkt werden können. Dann beginnen die Menschen nach und nach, ihr Geld nur noch für das Notwendigste auszugeben. Eine Deflation setzt ein, die einer Hyperinflation meist unmittelbar vorausgeht.

Wenn das der Fall ist, wir das System resettet und das bedeutet Krieg.

Doch zurück zum Regio:

Der oben beschriebene Effekt führt in seinem frühen Stadium stets dazu, dass zunächst Randgebiete, später auch ganze Stadtteile ihre wirtschaftliche Infrastruktur verlieren. Irgendwann werden sie zu reinen Wohngebieten und ihre Bewohner müssen weite Wege in Kauf nehmen, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Den kleinen Tante Emma-Laden gibt es schon lange nicht mehr und der Supermarkt im nächstgrößeren Stadtteil hat auch aufgegeben. Da bleibt nur noch die Fahrt in die Innenstadt.

Regionalwährungen machen Randgebiete wieder wirtschaftlich attraktiv, da sie auch ärmere Menschen in die Lage versetzen, ihre Brötchen beim Bäcker um die Ecke zu kaufen. Der ist zwar etwas teurer, aber man kann mit Regio bezahlen. Und seine Regios muss man ja sowieso ausgeben, damit sie ihren Wert nicht verlieren. Aus dem gleichen Grund kann man sie aber auch sehr leicht verdienen.

Steuern zahlt man übrigens nur, wenn man die Regios in Euro umtauscht. Als geschlossenes Währungsmodell ist ein Regio-System vom Finanzamt nämlich nicht erfassbar. Es ist so, als würde man Dienstleistungen mit Dienstleistungen vergelten… nur eben mit zwischengeschalteter Währung.

Wer den zweiten Artikel dieser Serie gelesen hat, der weiß jetzt schon: GENAU dazu war Geld ursprünglich ja auch gedacht.

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