Prozessbeobachtung OLG Frankfurt „Reichsbürgerprozess“ 25.06.2024

2603

OLG Frankfurt 25.06.2024

  1. Verhandlungstag

Die Verhandlung startet um 9:38 Uhr. Die Presse ist mit bis zu 15 Personen anwesend, und es sind bis zu 50 Zuschauer im Saal. Die GBA wird heute durch Herrn Dr. Engelstätter, Frau Dr. Maslow und Richter Konert vertreten.

Zu Beginn kündigt RA Lober (für Birgit M.-W.) einen Antrag an, sowie RA Sieg (für Prinz Reuß) eine ergänzende Begründung für seinen bereits gestellten Antrag auf Haftverschonung.

Max E. setzt sodann seine Erzählungen zu seiner Bundeswehrzeit beim KSK und der NATO fort. Wie bereits am letzten Verhandlungstag schmückt er seinen Werdegang mit zahlreichen Anekdoten aus und muss mehrfach sowohl von seinem Verteidiger als auch vom vorsitzenden Richter gebremst werden, sodass er letztendlich ohne Laptop und Akten frei sprechend vorträgt. Er nimmt das Manko aber gelassen und mit Humor hin, denn er leide ja noch nicht unter dem „Olaf’schen Syndrom, nämlich das Wichtige zum richtigen Zeitpunkt zu vergessen.“

Er erzählt von seiner zweijährigen Generalstabsausbildung, die ihm völlig überraschend kurz vor der Hochzeit angeboten wurde, und seinem Umzug mit Familie nach Hamburg 1991-93. Seinem Wunsch nach der Belgischen Generalstabsausbildung wurde entsprochen, ebenso setzte er trotz gesundheitlicher Bedenken einen vierwöchigen Fallschirmjägerlehrgang durch. Er berichtet über den Militärdekan Walter Wakenhut, der eine Bereicherung in ethischen Fragestellungen für ihn war und ihn viele Jahre bei der Bundeswehr begleitete. Anfang 1996 wurde sein Interesse am KSK abgefragt, welches zu dieser Zeit gerade in Calw aufgebaut wurde. Die neue Aufgabe war zunächst für drei Jahre angelegt, mit Frau und zwei Kindern zog er nach Calw, um sich dort bis 1998 den Themen Vorschriften, neue Verfahren und Konzepte für das KSK zu widmen. Im März 1999 begann dann der KFOR-Einsatz im Kosovo, Mitte Juni 1999 ist er mit seinem Bataillon dort einmarschiert. Den Einsatz bezeichnet er als NATO-Angriffskrieg und völkerrechtswidrig, allerdings hätten humanitäre Gründe diesen gerechtfertigt. Dem interessierten Zuschauer empfiehlt er sein Buch „Dienen für den Frieden“, welches man kostenlos auf seiner Homepage Endstation-Ahrweiler.de lesen kann.

Nach einer einstündigen Mittagspause berichtet er dann über seine Zeit bei der NATO im Hauptquartier Brüssel von 2007 bis 2012 und der Zeit als NATO-Verbindungsoffizier von 2012-2015 in Tiflis, Georgien. Zuvor war er noch sieben Monate im Verteidigungsministerium in Bonn tätig, allerdings wurden ihm dort ständig Steine in den Weg gelegt, sodass er das Ministerium auf eigenen Wunsch verlassen hat und zurück zur 1. Gebirgsdivision nach Bayern wechselte und nach zwei Jahren dann 2002 aus Calw das Angebot „Chef des Stabs“ annahm, danach bei der DSO (Division spezielle Operationen) in Regensburg tätig war. Die Familie blieb dann im Bayerischen Wald, die familiäre Situation beschreibt er durch seine wechselnden Einsätze als zunehmend schwierig, die endgültige Trennung erfolgte zum Jahreswechsel 2015/16. Letztendlich verließ Max E. dann die Bundeswehr auf eigenen Wunsch auch am 30.09.2016.

Max E. betont immer wieder seine ethischen Werte: „Mensch sein und sich Menschlichkeit bewahren sind die große Kunst im Krieg“. Oft hat er dafür gegen Vorschriften verstoßen, um kreative und innovative Lösungen zu finden, aber niemals hat er sich dadurch bereichert oder jemandem geschadet. Einschneidende Erlebnisse waren für ihn das Ruanda-Massaker 1994, der Einsatz im Kosovo 1999, der schäbige Umgang mit seinem Brigadegeneral Reinhard Günzel (nach der Affäre Martin Hohmann, Bundestagsrede am 03.10.2003), dem er eine angemessene Verabschiedung heimlich organisierte (Operation Phönix, Focus-Artikel von Thomas Wiegold).

Max E. äußert sich maßlos enttäuscht über den Umgang mit ihm nach 38 Dienstjahren, 30% seiner Pension wurden ihm schon aberkannt. Nach Abschluss dieses Strafschutzverfahrens wurde bereits 2023 vom Verteidigungsministerium (Frau Lambrecht) ein truppendienstliches Verfahren angekündigt, welches momentan ruht, mit dem Ziel, seine kompletten Pensionsansprüche abzuerkennen. Er war immer Offizier aus Leidenschaft und stets auf dem Boden des Grundgesetzes. Er bittet darum, sich doch ein unverfälschtes, realistisches Bild über ihn zu machen und mahnt die GBA, komplette Unterlagen an die Verteidigung zu liefern.

Er schließt seine Ausführungen mit den Worten: „Ich stehe hier noch für eine begrenzte Zeit zur Verfügung, auch um meine Mitangeklagten ggf. entlasten zu können, aber dann werde ich mich aus diesem Bereich abmelden müssen, um zu verhindern, dass andere Dinge passieren, von denen ich nicht möchte, dass sie meiner Familie widerfahren. Ich habe noch einige Hausaufgaben zu erledigen, z.B. das Erlebte zu verschriftlichen und zu aktualisieren, und wenn all das erledigt ist, werde ich den Weg so gehen, wie ich ihn aufgezeigt habe, ob mit oder ohne ihre Billigung und wenn ich das vorhabe, werde ich es auch tun, und das meine ich todernst.“

Es folgt dann ab 15:00 Uhr die Befragung durch den vorsitzenden Richter. Er fragt u.a. nach den Gründen für den Austritt aus der Bundeswehr. Max E. antwortet, dass die Bundeswehr nicht mehr die war, die er haben wollte. Dienstvergehen wären gegen ihn konstruiert worden und so sah er letztendlich keine Zukunft mehr bei den deutschen Streitkräften und hat mit der vorzeitigen Pension die Notbremse gezogen. Max E. kommt dann auch auf die Coronazeit zu sprechen mit ihren gravierenden Grundrechtsverletzungen und hält ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Corona-Aufarbeitung. Zitat: „Hier entzweite sich etwas, nämlich die Regierung und das gesunde Empfinden der Menschen.“

Zu den Kosovo-Erlebnissen räumt er ein, oft entgegen der Brigadevorstellung Dinge gemacht und anders entschieden zu haben. Aber letztendlich habe er in der Sache Recht gehabt und seine gesamte ihm anvertraute Truppe lebend zurückgebracht.

Kontakt zu seinen Brüdern hat er mittlerweile nicht mehr und will auch keinen mehr, zu seiner Frau besteht nur noch loser Kontakt. Die Trennung erfolgte auch wegen seinem fahrlässigen Umgang mit dem Familienvermögen.

Zu seinen Schulden äußert er sich, dass diese durch private Darlehen in Georgien entstanden wären, weil der dortige Schuldner das Geld nicht zurückzahlen konnte und hohe Summen auch für seine Nachforschungen im Bereich der satanischen rituellen Pädophilie geflossen seien.

Zum Thema Alkohol befragt, räumt Max E. ein, dass ihm sowohl Corona als auch seine Ermittlungen zu Pädophilie und Kindesmissbrauch deutlich zu schaffen gemacht haben. Dazu noch der Umgang mit ihm nach Ahrweiler, wo sein einziges Vergehen war, eine Uniform getragen zu haben, obwohl er kein Reservist mehr war und natürlich die Kürzung/Streichung seiner Pension. „In dieser Welt wollte ich nicht mehr leben. In einem Land, das mich so behandelt, möchte ich so nicht leben. Ich bin kein Übermensch, nur ein kleiner Oberst. Meine Kinder sind erwachsen und brauchen mich nicht mehr. Ich habe mit 65 Jahren ein reiches Leben gehabt. Niemand in der Welt braucht mich noch!“

Die GBA hat keine Fragen an Max E.

Sein Verteidiger RA Dalla Fini stellt Fragen, was ihm Glaube, Vaterland und Grundgesetz bedeuten, wie ihm die Presseberichte zusetzen, ob die Justiz in Teilen noch funktioniere, was Menschlichkeit sei und ob er seine Frau noch liebe. Max E. antwortet, Menschlichkeit sei das, was KI nicht könne. Nach seinem ethischen Wertekompass kann der Mensch abwägen zwischen zwei Gütern. Das GG ist für ihn die Grundlage für das gemeinsame Zusammenleben in gegenseitigem Respekt. Bei seiner Frau müsse er sich zuerst entschuldigen für alles und das finanzielle Desaster in Ordnung bringen, er liebe sie und sei immer noch tief verbunden, allerdings sei er ja seit 18 Monaten komplett abgeschnitten und somit sei es schwierig. Er wünsche sich nur, dass die Wahrheit herauskommt. Die Zeit in Haft bezeichnet er als „Dahinvegetieren, kein Leben in Menschenwürde! Jedes Tier im Zoo habe es besser, aber er werde sich seine äußere Freiheit in absehbarer Zeit holen.“ Vaterland bedeutet für ihn Heimat, alles was ihm lieb und vertraut ist, die Menschen, Natur und die inneren Werte. Wenn es das nicht mehr gibt, ist man vaterlands- und heimatlos.

Justiz funktioniere in Teilen leider immer erst im Nachhinein, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen sei. „Gar nix repariert die Justiz“ beklagt er. RA Dalla Fini gibt den Hinweis, dass die Justiz immer nur im Nachhinein reagieren kann.

RA Böhme (für Johanna F.-J.) fragt Max E. nach den Kriegsverbrechen im Kosovo, was dies für ihn bedeute. Er antwortet mit schlimmsten Verbrechen an der Menschlichkeit, wie bestialische Massaker, hätten ihn tief geprägt und ihm gezeigt, wie wichtig es sei, in jeder Situation menschlich zu bleiben.

Er erläutert weiter, dass er sich oft gegen Befehle gestellt habe, die er für unmenschlich hielt, und dadurch in Konflikt mit seinen Vorgesetzten geraten sei. Trotzdem habe er immer versucht, das Richtige zu tun und seinen moralischen Kompass nicht zu verlieren.

RA Böhme fragt nach konkreten Beispielen für solche Konflikte. Max E. beschreibt einen Vorfall im Kosovo, bei dem er sich weigerte, einen Angriffsbefehl auszuführen, weil er zivile Opfer befürchtete. Stattdessen habe er eine riskante Rettungsmission gestartet, um Zivilisten zu evakuieren. Diese Aktion habe ihm sowohl Anerkennung als auch Kritik eingebracht, aber für ihn sei es die einzig richtige Entscheidung gewesen.

Der Vorsitzende Richter fragt nach Max E.s Sicht auf die aktuellen Vorwürfe gegen ihn. Max E. betont erneut seine Unschuld und erklärt, dass er immer im Sinne des Grundgesetzes und der Menschlichkeit gehandelt habe. Er wirft der Anklage vor, seine Handlungen aus dem Kontext gerissen und falsch interpretiert zu haben.

RA Lober stellt die Frage, ob Max E. jemals Kontakt zu extremistischen Gruppen hatte. Max E. verneint dies vehement und erklärt, dass er sich immer gegen Extremismus in jeder Form eingesetzt habe. Seine Arbeit im Bereich der Aufklärung von Missbrauchsfällen und ritueller Gewalt habe ihn in gefährliche Kreise geführt, aber er habe immer versucht, die Wahrheit ans Licht zu bringen und den Opfern zu helfen.

Die Verhandlung wird um 17:30 Uhr beendet. Der nächste Verhandlungstag wird für den 02.07.2024 anberaumt.

HINTERLASSE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here