Prozessbeobachtung OLG Frankfurt „Reichsbürgerprozess“ 11.06.2024

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7. Verhandlungstag

Michael F. erscheint mit seinen Anwälten Dirk Sattelmaier und Olaf Klemke, der endlich als weiterer Pflichtverteidiger beigeordnet wurde.

Der vorsitzende Richter gibt bekannt, dass er eine Liste mit allen Angeklagten an den Standorten in Frankfurt, Stuttgart und München erstellt habe und den Zeugen diese Liste – ab jetzt – vorgelegt werden würde, mit der Frage, ob zu einer Person auf der Liste ein Bekanntschafts- oder Verwandtschaftsverhältnis vorliegen würde.

RA von Alversleben (Heinrich XIII Prinz Reuß) fasst nochmals in einem Antrag die „erkenntnislosen Ermittlungen“ des BKA (Bundeskriminalamtes), der „Speerspitze der Ermittlung“, zusammen: „Nichts strafrelevantes wurde vorgetragen – insbesondere, was die wirtschaftlichen Transaktionen seines Mandanten beträfe, Mutmaßungen und Unterstellungen ohne jegliche Grundlage, einseitig, tendentiös, befangen und fehlgeleitet. Sein Mandant sei seit 2005 geschieden. Durch die Angabe, er sei verheiratet, solle die Öffentlichkeit bewusst dahin gelenkt werden, dass er als verheirateter Mann eine junge Geliebte habe. Das Sorgerecht für die beiden Kinder – seit der Scheidung – wäre bewusst verschwiegen worden. Die Konstruktion eines „Strohmannes“ bei geschäftlichen Tätigkeiten sei völlig aus der Luft gegriffen. Der Zeuge des BKA hätte nicht mal das „Fürstentum Reuß, jüngere Linie“ vom „Fürstentum Reuß, ältere Linie“ unterscheiden können, zwei ehemalige souveräne Staaten.“ Die Durchsuchung der Geschäftsräume wäre am 07.12.2022 unterbrochen worden und am 08.12.2022 wieder aufgenommen worden, was NICHT vom Durchsuchungsbeschluss gedeckt wäre. „Das BKA hielt die vorrätige Notfallnahrung für erwähnenswert, ohne dabei zu beachten, dass der Ratgeber für Notfallvorsorge vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe genau diese Menge an Vorrat empfehle, um 10 Tage ohne Einkauf zu überstehen. Gerade im einsam gelegenen Jagdschloss Waidmannsheil sei dies im Winter sogar notwendige Pflicht. Der vorsitzende Richter habe die Vernehmung des Zeugen zum Fund der Nahrungsmittel – laut Frankfurter Rundschau – wie folgt tendentiös eröffnet: „Das hätte ich in einem Büroraum so nicht erwartet!“ Des Weiteren wurde über angebliche „NS-Devotionalien“ berichtet, was sich aber als ein Familienbuch und Erbstücke eines Grafen Reuß aus einer Seitenlinie der Familie (Heinrich I Prinz Reuß) entpuppte.“

(Was genau RA von Alversleben beantragt hat, hab ich aufgrund des schnellen Vortrags leider nicht mitbekommen, Anm. Caroline)

RA Miksch (Peter W.) beschreibt nochmal genau die „NS-Devotionalien“, die in einer Wehrmachtskiste gefunden wurden, wie sie eben von der Wehrmacht im II. Weltkrieg verwendet wurde: Zwei Mützen der Wehrmacht – genannt „Schiffchen“, ein „Familienbuch Reuß“ und ein Liederbuch der Wehrmacht – persönliche Andenken in einer üblichen „Wehrmachtskiste“. Die Wehrmacht habe bekanntlich nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun, es würde aber versucht „Nähe“ zum Nationalsozialismus herzustellen. Er gibt zu Protokoll, dass sein Mandant nicht auf der „Satellitentelefon-Liste“ vermerkt wäre.

Der Anwalt von Johanna F. tut dies ebenfalls.

RA Prof. Dr. Nirk erklärt, dass seine Mandantin Vitalia B. aufgrund der schlechten Telefonverbindung in Waidmannsheil ein Satellitentelefon besäße, aber auf keiner Liste vermerkt wäre.

RA Rueber-Unkelbach (Birgit M.W.) beklagt das mangelnde Basiswissen und die Allgemeinbildung bei den BKA Ermittlungen – bezüglich der Firmen von Heinrich XIII Prinz Reuß. Unter einer Limited (Ltd.) verstünde man die im britischen Gesellschaftsrecht verankerte Form der Kapitalgesellschaft. So würde aus dem Vollkornbrotvorrat der Tatvorwurf „Regierungsumsturz“ abgeleitet. „Wenn ich drei Doppelzentner Kartoffeln beim hiesigen Bauer bestelle, kommt dann der Verfassungsschutz?“

RA Lober (Birgit M.W.) vermisst bei den Ermittlungen die „Nullhypothese“ (d.h. es wird nach belastendem und entlastendem Material gleichermaßen gesucht). So hätten die Kontoauszüge von Heinrich XIII Prinz Reuß keine Ergebnisse und somit keinen kausalen Zusammenhang zur Anklage aufgezeigt und er fragt, ob im Gerichtssaal wohl das „Frankfurter Landrecht“ gelte?

RA Sattelmeier (Michael F.) weist nochmals auf die fehlenden Unterschriften bei den Aussagegenehmigungen der BKA Beamten hin und auf die wiederholte Missachtung der Persönlichkeitsrechte der Angeklagten – aufgrund eines „Lecks“ zur Presse.

RA Olivo (Rüdiger v.P.) weist daraufhin, dass die Daten von 13 „Leitz Ordner“ mit neuen Ermittlungsergebnissen der Verteidigung VOR der Beweisaufnahme zugehen müssten!

P A U S E

Als der Senat nach der Pause den Raum betritt, bleiben zwei Besucherinnen der ersten Reihe sitzen, was den vorsitzenden Richter veranlasst, die Besucherinnen zu ermahnen und ihnen anzudrohen, sie beim nächsten Mal wegen „mangelnden Respekts“ von der Verhandlung auszuschließen.

Mehrere Anwälte weisen wiederholt darauf hin, dass die Generalbundesanwaltschaft (GBA) einen deutlichen Wissensvorsprung habe. Prof. Schwab (Johann F.) erwägt deshalb eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof – wegen Verstoßes gegen die Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das „Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren“.

Da die GBA die Frage: „Haben sie Kenntnis von dem Inhalt der 13 Leitz Ordner?“ mit „Wir haben die Ordner an den Senat weitergeleitet!“ beantwortet, stellt RA DallaFini (Max E.) einen Protokollierungsantrag, da die Rechtsanwälte und der Senat noch keine Kenntnisse über den Inhalt der 13 Leitz Ordner hätten. Der Antrag wird abgelehnt.

Alle Rechtsanwälte fordern einen Senatsbeschluss, der Protokollierungsantrag wird zurückgewiesen.

RA Hamed weist darauf hin, dass mit der Anklage die Ermittlung abgeschlossen sein muss und nennt die Rolle der GBA kritikwürdig.

Die Vernehmung der Zeugin Schepek, BKA, zu den persönlichen Verhältnissen von Rüdiger v.P. beginnt.

Sie hat per Internetrecherche seine Familienverhältnisse ermittelt (verheiratet, drei Kinder), ehemaliger Oberstleutnant beim Fallschirmjägerbataillon von 1993 – 1996, wohnhaft in Brasilien, Inhaber zweier Firmen in Brasilien – zusammen mit seinem Schwiegersohn. Auf dem Konto einer Tochter in Deutschland wird ein Zahlungseingang vom Renten Service an Rüdiger v.P. ermittelt, sowie Zahlungseingänge aufgrund einer Erbschaft der Ehefrau und Zahlungsausgänge für Outdoor Zubehör und Satellitentelefone.

Frau Schepek war am 07.12.2022 bei der Durchsuchung der Wohnräume der Tochter von Rüdiger v.P. (im Münstertal bei Freiburg) für die Durchsuchung des Wohnzimmers und des Gästezimmers mit Bad zuständig. Sie stellte ein Buch über „Freie Impfentscheidung“, einen „Leitfaden Bundeswehr – Führen von Kameraden“ und „historische Bücher“ sicher. Die RAe Olivo und Lang (Rüdiger v.P.) möchten von ihr wissen, woraus sie in einem Gästezimmer genau diese Bücher ihrem Mandanten zuordnen könne, da sie auch noch Belletristik im Bücherregal gefunden habe. Sie habe weitere „Bundeswehrgegenstände“ mit dem Namen des Angeklagten gefunden und es daraus abgeleitet, außerdem aus den gefundenen „Negativzertifikaten von Covidtests“.

Sie wird nach ihren Sprachkenntnissen in portugiesisch befragt, da sie aus zwei brasilianischen Internetseiten über „Consulting Firmen“, die Firmeninhaber Rüdiger v.P. und Schwiegersohn ermittelt habe. Frau Schepek gibt zu, kein portugiesisch zu sprechen, es habe sich aus dem „Draufschauen“ ergeben.

RA Hamed (Hr. H.) fragt nach dem „Muster der Ermittlung“ und weiteren Infos zur Ausbildung und dem Beruf von Rüdiger v.P. – „Keine Erkenntnisse“. Fragen zur Vorbesprechung der Durchsuchung und der Rolle der Presse während der Durchsuchung verweigert sie – aufgrund der fehlenden Aussagegenehmigung hierzu. RA Hamed besteht auf Protokollierung.

RA Dr. Sieg (Heinrich XIII Prinz Reuß) besteht auf einer Klärung der erweiterten Aussagegenehmigung mit dem Präsidenten des BKA.

RA von Alversleben (Heinrich XIII Prinz Reuß) fragt, ob die Ermittlungen noch andauern würden? Antwort: „JA!“

RA Klemke (Michael F.) möchte wissen, was im Durchsuchungsbeschluss genau steht. Die Zeugin wird unsicher, der vorsitzende Richter greift ein, was RA Klemke mit „Sie können mir das Fragerecht nicht entziehen“ unterbindet.

„Gegen wen und was wurde ermittelt?“ „Machen Sie immer, was Ihre ‚Leitung‘ von Ihnen verlangt?“ „Haben Sie diese Anordnungen rechtlich überprüft?“

Der vorsitzende Richter meint, dies wäre bereits von der Zeugin beantwortet. „Welche Kommunikationswege gab es, um die Rechtmäßigkeit des Einsatzes zu überprüfen?“ Frau Schepek macht keine Angaben, RA Klemke besteht auf Protokollierung. Er wirft dem vorsitzenden Richter „unzulässiges prozessuales Verhalten“ vor, da er ihn beim Fragen unterbreche, um der Zeugin beizustehen.

RA Lober (Birgit M.-W.) möchte von ihr wissen, was ein „Consultant“ sei. Sie weiß es nicht. Im 83-seitigen Vermerk hat sie aber ein Interesse an „UFOs“ aufgelistet, genauere Angaben zu Ermittlungsdetails verweigert sie immer wieder mit dem Argument der „Ermittlungstaktik“, das von der Aussagegenehmigung nicht gedeckt sei.

Eine sichtlich genervte Zeugin wird vorerst entlassen und erhält einen Hinweis auf eine erneute Vorladung.

In der nächsten Verhandlung möchte Peter W. Aussagen zu seinen persönlichen Verhältnissen machen.

Ergänzung:

  1. Die Leselaptops der Beschuldigten wurden aktualisiert und von der GBA wieder dem Senat übergeben und befinden sich nun wieder bei den Beschuldigten in der JVA. Alle Nachlieferungen befinden sich auf den Laptops, also aktueller Stand. Auf Nachfrage von RA Böhme (für Johanna F.-J.) nach dem genauen Datum des Standes und der jetzigen Dateigröße wird vom GBA Engelstätter ungefähr der 31. Mai 2024 genannt. Die ungefähre Größe der Datei wisse er nicht, der Band 11 sei aber mit drauf.
  2. Auch Birgit M.-W. wird sich nun selbst zur Person äußern und Rückfragen beantworten, ebenso Hans-Joachim H.
  3. RA Olivo (für Rüdiger P.) erwähnte ganz zum Schluss ein Dossier (Verschlusssache) beim Senat, welches Aktenbestandteil sei, aber nicht geschickt werden könne. Man müsse dies in Meckenheim in Augenschein nehmen. Der vorsitzende Richter bestätigt das und will nachhaken.

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