Elon Musk und die AfD

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Heute, am 20.12.2024, schrieb Elon Musk auf X, nur die AfD könne Deutschland noch retten. Er griff damit aktiv in den deutschen Wahlkampf ein und wird seither von AfD-Anhängern bejubelt. Doch hat er mit seiner Aussage recht, oder wird sie sich am Ende als fatal herausstellen?

Elon Musk gilt als hochintelligent. Ein guter Schachspieler ist er jedoch nicht. Übertragen auf das Spiel der Könige würde er mit jeder seiner Spielfiguren versuchen, den gegnerischen König auf direktem Wege zu schlagen, würde Figur um Figur dabei verlieren und am Ende auch das ganze Spiel.
Beim Schach ist es völlig unmöglich, auf direktem Weg ans Ziel zu gelangen – zumindest dann nicht, wenn der Gegner das Spiel beherrscht. Es ist notwendig, Strategien zu entwickeln, fünf, sechs, manchmal zehn Züge im Voraus zu denken und (wenn nötig) gezielt die eine oder andere Spielfigur zu opfern. Ein geübter Schachspieler beherrscht das Brett, kreist seinen Gegner ein, nimmt ihn in die Zange und besiegt ihn, wenn er am wenigsten damit rechnet.

Früher wurde das Spiel als Geistesübung für Schlachtpläne genutzt, doch es eignet sich ebenso gut als Übung zur Erreichung politischer Ziele. Unser Ziel, die Wiederherstellung von Demokratie, Redefreiheit, einer stabilen und bezahlbaren Energieversorgung sowie den Erhalt des Friedens in Deutschland, erreichen wir nicht durch Frontalangriffe auf den politischen Gegner, denn der beherrscht das Spiel besser als wir.

Insofern haben wir (im übertragenen Sinne) bereits fast alle Spielfiguren eingebüßt und kämpfen gerade noch mit einem Läufer und ein paar übrig gebliebenen Bauern ums blanke Überleben. Der vorerst letzte Akt, bei dem wir unserem Gegner in die Falle gegangen sind, war die Vertrauensfrage am 16.12.2024. Worum ging es dabei eigentlich? Ging es wirklich darum, eine angeschlagene Ampelregierung so schnell wie möglich loszuwerden? Nein! Denn diese Regierung, die keinerlei Mehrheiten mehr für weitere unsinnige Gesetze gefunden hätte, wäre nichts weiter gewesen als ein kommissarischer Geschäftsführer. Bis September hätte politischer Stillstand geherrscht, und das wäre, gemessen an den vergangenen Jahren, das Beste gewesen, was Deutschland aktuell hätte passieren können.

Bei der Vertrauensfrage ging es also gar nicht wirklich darum, eine katastrophal schlechte Regierung am Weiterregieren zu hindern, sondern vielmehr darum, eine noch schlechtere Folgeregierung zu verhindern. Eine der (lediglich drei) AfD-Abgeordneten, die die Vertrauensfrage schweren Herzens mit Ja beantwortet hatten, Frau Dr. Christina Baum, brachte es in ihrer Rede auf den Punkt. Es galt, einen sicheren Kanzler Friedrich Merz zu verhindern.

Alle Umfragewerte weisen darauf hin, dass die nächste Regierung eine (mindestens) schwarz-rote werden wird. Die Partei des bisherigen Bundeskanzlers war mit einem Nein also gar nicht zu verhindern. Zu ihr gesellt sich dann ein neuer Bundeskanzler, der ganz offen zugibt, unser Land für einen Krieg rüsten zu wollen und der nicht zögert, solange an der Lunte zu zündeln, bis sie brennt.

Olaf Scholz das Misstrauen auszusprechen war also in etwa so, als würde man einen Roulettekessel vorzeitig anhalten, während die Kugel auf Schwarz liegt, obwohl man zuvor alles auf Rot gesetzt hatte. Kein Schachspieler, ja nicht einmal ein Glücksspieler, würde so wenig weitsichtig handeln.

Natürlich wäre nicht sicher gewesen, dass Merz bei einer regulären Wahl im September 2025 nicht auch die Nase vorn gehabt hätte, doch es hätte zumindest die Möglichkeit bestanden. Es wäre nicht das erste Mal in Merz‘ Karriere gewesen. Bereits Ende der 90er-Jahre hatte er sich auf eine Regierungsübernahme vorbereitet. Damals war ein heftiger Streit zwischen Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder in der frisch gekürten SPD-Regierung ausgebrochen. Alles schien auf die kürzeste Regierungszeit in der Geschichte der Bundesrepublik hinzudeuten.

Doch dann brach die Spendenaffäre rund um Helmut Kohl aus, die CDU brach in allen Umfrageergebnissen ein, und Merz‘ Träume fanden ein jähes Ende.

Ein weiterer Punkt, der wenig bis gar keine Beachtung findet, ist die Rolle der AfD beim Wiedereinzug der Grünen in die Regierung. Ja, Sie haben richtig gelesen. Wenn man das Spiel der Könige beherrscht, schafft man es, den Gegner zu Zügen zu verleiten, die ihm schaden und einem selbst nutzen.

Und so fatal sich die Grünen auch für die Politik erweisen, so geschickt sind sie in der Entwicklung weitsichtiger Strategien, die ihre eigenen Ziele fördern.

Wenn man wissen will, wer zukünftig Deutschland regieren wird, bevor es die Tagesschau verkündet, muss man lediglich die Durchschnittswerte der Umfragewerte aus den sogenannten Sonntagsfragen über einen gewissen Zeitraum berechnen. Dann liegt man ziemlich genau beim tatsächlichen Wahlergebnis.
Derzeit käme eine Koalition aus Union und SPD auf eine hauchdünne, regierungsfähige Mehrheit von ca. 47 %. Rund 46–48 % braucht man für eine solche Mehrheit. Wie viel genau, hängt von den Stimmenanteilen für die sonstigen Parteien ab.

Wenn sich nun die Stimmenanteile auch nur leicht zulasten der Union und/oder SPD hin zur AfD verschieben, reicht es für die sogenannte große Koalition allerdings nicht mehr. Ca. 2 % würden schon reichen, und Friedrich Merz müsste sich einen weiteren Koalitionspartner suchen, um regieren zu können. Wer wäre das wohl? Die AfD? Sicherlich nicht! Die FDP? Wohl kaum, denn die wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an der 5-%-Hürde scheitern und somit gar nicht mehr in den Bundestag einziehen.

Es wären die Grünen, die dann wieder mitregieren dürften!

Was also hätten wir erreicht? Wir hätten lediglich die FDP gegen die Union ausgetauscht. Mehr aber auch nicht. Man könnte auch sagen: Je blauer die Stimmenanteile bei der Wahl, desto grüner wird die nächste Regierung.

Gibt es aus diesem Dilemma überhaupt noch eine Lösung?

Ja, die gibt es, und wieder einmal ist Schach das Vorbild für taktisches Vorgehen.

Im Jahr 1923 gelang es Aaron Nimzowitsch im Spiel gegen Friedrich Sämisch, das Blatt auf spektakuläre Art und Weise zu wenden. Nimzowitsch hatte die Partie praktisch schon verloren, als es ihm gelang, eine Pawn Promotion, also eine Bauernumwandlung, durchzuführen. Er hatte es geschafft, seinen Bauern auf das letzte Spielfeld zu führen und konnte ihn nun gegen eine Dame ersetzen. Sämisch war einen Zug später matt.

Auf unser politisches Dilemma angewendet bedeutet dies, dass es eine weitere Partei in den Bundestag schaffen muss, deren Hauptaufgabe darin besteht, die von Friedrich Merz und den Grünen angestrebte schwarz-rot-grüne Kenia-Koalition zu blockieren. Es muss sich also um eine Partei handeln, die in etwa gleichauf mit den Grünen liegt und die jede Koalition mit Union, SPD und Grünen kategorisch ausschließt. Damit würde sie Merz’ Träume abermals zunichtemachen, denn übrig bliebe nur noch eine einzige, rechnerisch umsetzbare Koalition, nämlich Schwarz-Blau.

Ja, dies ist ein Umweg, der nicht auf direktem Weg zum Ziel führt. Nicht alle Hoffnungen auf Blau zu setzen, damit Blau am Ende mitregieren kann, scheint für viele Wähler ein Denkakt zu sein, den sie nicht akzeptieren wollen.

Und man erkennt auch sofort das Problem dabei. Eine neue Partei wäre eine Partei, die bis zu 2000 Unterstützungsunterschriften pro Bundesland und 200 Unterstützungsunterschriften für jeden Kreiswahlbewerber sammeln muss. Dabei muss man wissen, dass sich die Ampelregierung bei der letzten Wahlrechtsreform zwar das Recht eingeräumt hat, die Fristen im Falle vorgezogener Wahlen noch weiter als bisher üblich zu verkürzen (§ 52, Absatz 3 BWahlG), das Bundesverfassungsgericht aber erst kürzlich bestätigt hat, dass dabei die Zahl der Unterstützungsunterschriften nicht gekürzt werden. Eine fast unmögliche Herausforderung für diese neue Partei, welche nur durch Zusammenschluss aller Kräfte möglich wäre, die sich eine politische Kehrtwende wünschen.

Infrage hierfür käme auch nur eine einzige Partei: die Basisdemokratische Partei Deutschland. Sie wurde 2020 aus der Grundrechtebewegung gegründet und kämpft seither u. a. für den Erhalt des Friedens in Deutschland sowie eine lückenlose Aufarbeitung der Coronamaßnahmen. Schon alleine deshalb würde sie niemals mit Parteien koalieren, die an diesen Maßnahmen beteiligt waren. Das unterscheidet sie fundamental vom BSW. Die Frage, ob sie selber mit der AfD koalieren würde, stellt sich dabei übrigens nicht, denn diese Koalition bekäme gar nicht genügend Sitzmehrheiten zusammen. Sie wäre somit nur nützlich und keinerlei Gefahr – selbst wenn sie insgeheim finstere Pläne schmieden würde (Konjunktiv), wie das ja nahezu allen Parteien immer mal wieder gerne unterstellt wird. Sie wäre somit sozusagen spielentscheidende Dame und Bauernopfer in einem. Wer also mit diesem oder jenem Programmpunkt dieser Partei nicht übereinstimmt, muss sich keine Sorgen machen. Sie verbliebe ohnehin in der Opposition.

Strategisch vorzugehen wäre also allemal besser als ein Frontalangriff, der zwangsläufig scheitert.

Besonders für AfD-Anhänger stellt sich nun natürlich die Frage, warum man die fehlenden Stimmenanteile unbedingt einer neuen Partei und nicht der AfD selber anvertrauen sollte. Doch es gibt drei gewichtige Argumente, die gegen Letzteres sprechen.

Erstens hat die AfD die Bundestagswahl 2025 längst abgeschrieben. Eine Alice Weidel, die sich scheinbar ernsthafte Hoffnungen auf die Kanzlerschaft macht, soll zwar Siegessicherheit suggerieren, aber das Votum bei der Vertrauensfrage spricht eine deutlich andere Sprache. Parteiintern verfolgt die AfD eine Strategie, die manche als „LdS“ (Lernen durch Schmerz) bezeichnen. Dabei soll der Wähler durch Etablierung der schlimmstmöglichen Politik dahingehend erzogen werden, in der AfD die einzige Hoffnung für Deutschland zu sehen. Das soll dann bei einer späteren Wahl zu einem so großen Stimmenzuwachs führen, dass man zum Regieren keinen Koalitionspartner mehr benötigt.

Das führt zu Argument Nr. 2. Kein Demokrat kann ernsthaft eine Regierung befürworten, die aus einer einzigen Partei besteht, insbesondere dann nicht, wenn diese Partei zahllose Menschen und Existenzen leichtfertig geopfert hat, um dorthin zu gelangen. Die AfD hat noch nie regiert. Wer kann sicher sagen, wie sie regieren wird, wenn sich ihr niemand mehr in den Weg stellen kann?

Das dritte Argument dürfte jedoch das gewichtigste sein. Die allermeisten Deutschen sehen ihr Heil nicht in der Wahl einer derartig radikalen Partei, wobei es keine Rolle spielt, ob diese Partei wirklich so radikal ist oder nur so dargestellt wird. Das werden die Wähler auch in vier, acht oder zwölf Jahren nicht tun. Der Versuch ist also von vornherein zum Scheitern verurteilt und offenbart ein großes sozialwissenschaftliches Unverständnis seitens der Erfinder solcher Strategien.

Last not least sei noch angemerkt, dass wir uns das politische Desaster auch gleich ganz sparen können, das nach Ansicht der AfD-Strategen irgendwann zur Alleinregierung der AfD führen soll.

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